Kritik zu „Jack Ryan: Shadow Recruit“

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Verfilmungen von Romanen des kürzlich verstorbenen
US-Amerikaners Tom Clancy sind so eine Sache für sich. In den letzten zwanzig
Jahren haben sie uns einige Klassiker des Thrillergenres beschert, wie etwa
„Jagd auf Roter Oktober“ (1990) oder „Die Stunde der Patrioten“ (1992). Tom
Clancy ist eine Institution für Leute, die Amerikas Freiheit ständig bedroht
sehen und die auch wissen, dass die Lösung dafür eine Mitgliedschaft in der
National Rifle Association ist. Er ist zu einer Marke geworden, die Hollywood
schon so manchen Geldsegen beschert hat. Mit der Veröffentlichung von „Jack
Ryan: Shadow Recruit“ könnte die Marke Clancy für einige Jahre einen
empfindlichen Knick erleiden.

Für „Jack Ryan: Shadow Recruit“ haben sich Finanziers,
Kino-Größen und erfahrene Drehbuchautoren (u.a. David Koepp, „Der Tod steht ihr
gut“, „Jurassic Park“) zusammengetan, und es scheint, als hätten sie alle nicht
so recht Lust dazu gehabt, aus den Vorlagen der Jack Ryan-Romane ein neues
Heldengeschichten-Reboot zusammenzubasteln, wie es in den letzten Jahren von
Batman bis Star Trek geschehen ist.
Ich schmeiß mein Bankster-Studium in London und geh nach
Afghanistan
Konsequenterweise darf sich dann auch Chris Pine als der
junge Jack Ryan präsentieren, der einem breiteren Publikum noch als junger
Capitain Kirk in Erinnerung sein dürfte, der das Raumschiff Enterprise in zwei
Kinofilmen mit mehr Selbstironie durchs All steuerte, als das William Shatner in
Jahrzehnten gelang. Größer mögen die Fußspuren von Alec Baldwin und Harrison
Ford wirken, die den CIA-Agenten bereits in früheren Filmen porträtierten,
doch das jämmerliche Drehbuch und die hölzerne Regie geben dem bislang ohnehin
nicht besonders variationsreich spielenden Chris Pine keine Möglichkeit, seiner
Rolle mögliche Nuancen abzugewinnen. Also sehen wir wieder James T. Kirk auf
der Leinwand, nur dass ihm sein Humor und seine bescheuerte Uniform abhanden
gekommen sind.
Die Handlung des Films setzt am 11. September 2001 ein:
Jack Ryan ist ein schneidiger All-American-Wirtschaftsstudent in London, der
eine glänzende Zukunft als ausbeuterischer Börsenspekulant vor sich hat. Doch
nun muss er, wie die ganze Welt an jenem Tag, per Liveübertragung miterleben,
wie das World Trade Center in New York zum Einsturz gebracht wird. Aus vollster
Seele Patriot, meldet er sich daraufhin zur Armee, wo er bei einem
Hubschrauberabsturz in Afghanistan 2003 schwer verletzt wird. Nach jahrelangen
Krankenhausaufenthalten wird er von dem geheimnisvollen Thomas Harper (Kevin
Costner in einer mimikunterfordernden Rolle) angeheuert, der CIA beizutreten
und zum Schein ein ganz normales Leben als Wall Street-Banker zu führen.
All dies geschieht innerhalb der ersten fünfzehn
Filmminuten, und schon zu Beginn fragt man sich, was das alles soll. Falls die
Vorgeschichte eine psychologische Grundlage für Jack Ryans Charakterentwicklung
liefern sollte, so war dies ein Griff ins Klo. Innerhalb von Minuten springen
wir vom Jahr 2001 ins Jahr 2003 ins Jahr 2008, ohne dass etwas Relevantes
passiert. Wir sehen Jack einmal kurz unter Schmerzen über den mit Turnmatten
ausstaffierten Boden des Gymnastikraumes robben, was die jahrelangen Torturen
aktengerecht zusammenfasst. Der Film beeilt sich, Jack Ryan möglichst schnell
in die Reihen der CIA zu schleusen, so dass man sich fragt, warum man ihn nicht
direkt dort gelassen hat. Wo sich andere Reboots Zeit lassen, um einen
Charakter reifen zu lassen, und es im besten Falle gelingt, aus einem flachen
Comichelden eine Figur mit Stärken und Schwächen zu machen, mit der man sich
identifizieren kann oder aber die einen abstößt, so wirkt diese sinnlose, aus
dem eigentlichen Film herausklaffende Vorgeschichte wie ein lauwarmer
Kompromiss, eine Entschuldigung an wen auch immer, als müsse man rechtfertigen,
dass Jack Ryan in den nächsten eineinhalb Stunden nicht einmal ansatzweise zu
einem Protagonisten wird, mit dem man mitfiebert.
Und genau da liegt das Problem. Man braucht keine
Charakterentwicklung, keine Persönlichkeiten, man braucht keine originellen
Storys, um zu unterhalten. Doch man muss zumindest eine altbekannte Geschichte
aufs Neue originell verpacken, damit man sich unterhalten fühlt. „Jack Ryan:
Shadow Recruit“ sollte sich nicht schämen, ein Film ohne Tiefgang zu sein. Aber
statt sich dazu zu bekennen und stattdessen auf Tempo, Spannung, Explosionen
und irre Bilder zu setzen, sülzt sich der Film durch Ryans langweilige wie
unglaubwürdige Beziehung zu seiner ehemaligen Ärztin Cathy (Keira Knightley),
die vorhersehbarerweise irgendwann in die Fänge des Schurken gerät, der
natürlich Russe ist.
Es muss ja nicht gleich Shakespeare sein
Über die weitere Geschichte von „Jack Ryan: Shadow
Recruit“ muss man sich nicht groß unterhalten. Der zwielichtige russische
Geschäftsmann Victor Cherevin plant mittels eines großen Coups, zunächst die
Wall Street und dann die gesamte amerikanische Wirtschaft lahmzulegen. Unter
dem Deckmantel des jungen Bankers muss Jack Ryan deshalb nach Moskau fliegen.
Spätestens hier könnte es actionreich werden, doch darauf verzichtet der Film
im weiteren Verlauf, bis auf eine ausnahmsweise gut gelungene und passabel
choreografierte Kampfszene im Luxushotel. Stattdessen plätschert die Handlung
in Moskau so dahin. Kevin Costner darf noch einmal kurz auftreten und über die
Schuld, die man beim Töten Unschuldiger empfindet, herumphilosophieren, und der
Tiefpunkt ist erreicht, als Jack Ryan schließlich vor den Augen Victor
Cheverins den Betrunkenen mimt. Cheverin selbst wird gespielt von Kenneth
Branagh, der auch für die Regie verantwortlich ist. Eigentlich kennt man
Branagh als Multitalent und Shakespeare-Kenner, der mit Filmen wie „Henry V.“
(1989) und „Dead Again“ (1991) als Regisseur und Hauptdarsteller Erfolge
feierte und über die Jahre hinweg nie ganz von der Bildfläche verschwunden ist.
Dass ihm auch Popcornkino liegt, bewies er jüngst, als er den ersten
„Thor“-Film inszinierte. „Jack Ryan“ ist jedoch absolutes Mittelmaß. Dem Film
fehlt es an allem, was einem Film fehlen kann – Spannung, Action, Niveau,
Unterhaltung, interessanten Figuren – und doch ist das Ergebnis nicht trashig
genug, um wenigstens darüber lachen zu können. So geschieht Branaghs Film das
Schlimmste, was im Kino möglich ist – er langweilt, und greift dabei noch tief
in die Klischeekiste.
Keinem der Schauspieler gelingt es, eine interessante
Leistung zu bringen. Jegliche Kämpfe, die wir sehen, haben wir schon anderswo
besser gesehen, jeglicher Handlungsort – ob New 
York, ob Moskau – ist schon interessanter in Szene gesetzt worden, und
langsam müsste es doch verdächtig erscheinen, dass Actionhelden (selbst in
diesem actionarmen Rohrkrepierer) auf der Flucht vor dem Killer stets ab einem
gewissen Punkt an der Decke kleben, als seien sie Spiderman. Neben all den
genannten Fehlern, die nicht gerade dazu beitragen, die Längen der Handlung zu
kitten, stößt dann der plumpe Patriotismus, um den es eigentlich gar nicht
gehen sollte, umso übler auf. Dazu trägt auch der Filmkomponist Patrick Doyle
(„Viel Lärm um nichts“, „Harry Potter und der Feuerkelch“) bei, der einen
Soundtrack geschrieben hat, der ebenso langweilig und gewöhnlich ist wie der
gesamte Film. Hoffnungsvolle Streicher, als Keira Knightley ihren ersten
Auftritt hat und Ryan sich schließlich, trotz seiner Kriegsverletzungen, für
das erneute Ergreifen der Pistole entscheidet: wo es eben passt, klebt man
einen Fetzen Musik hin und hofft, das Ganze wirkt dadurch atmosphärischer. Wirkt
es aber nicht. Es trägt nur zu der stupiden Trägheit bei, die nahezu jede Szene
des Films durchzieht.
Fazit
Es sieht nicht so aus, als hätten die Beteiligten des
Films eine Vision verwirklichen wollen. Stattdessen bekommen wir eine bekannte
Geschichte aufs Neue schlecht erzählt, die keinerlei Identifikationspotential
mit den Figuren bietet. Dabei ist jedoch keine der schauspielerischen
Leistungen grottig genug, um Freunde des Trashs zu begeistern. 
3/10
Über Marcel 584 Artikel
Film ist eine Sprache die jeder versteht. Egal ob in serieller Form oder als Animation, Film dient den Menschen als Unterhaltung und begeistert durch seine Vielfältigkeit. Sei es auf den Ebenen der Erzählung, Effekten oder Charakteren. Film ist aber nicht nur eine Sprache, sondern eine Kunstform, ganz gleich in welcher Art und Weise. Das was ich an Film und allgemein an Medien liebe, ist die Vielfältigkeit, die verschiedenen Ebenen insbesondere die Meta Ebenen und in neue Welten einzutauchen. Aber auch Kritik und Lösungsvorschläge filmisch an unserem heutigen System auszuüben und zu zeigen, wie die Welt in der Zukunft aussehen könnte. "Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein".

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