Kritik: Der weiße Hai

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Fast jeder Filmfan ist von den heutigen Trashfilmen über
Haie wie „Sharknado“, „Supershark“, „Sharktopus“, „Megashark vs. Gigant
Oktopus“ oder „Sandsharks“ belustigt sowie amüsiert. Was ist aus dem Genre
Tierhorror geworden? Warum suchen sich die Trash-Studios immer wieder
Tierhorror aus um dieses erbarmungslos auszubeuten?
Dabei war dieses Subgenre Ende der siebziger Jahre bis in
die späten achtziger Jahre außerordentlich erfolgreich. Von Piranhas über Hunde
bis hin zu riesigen Insekten wurden am laufenden Band Filme produziert, welche
mehr oder weniger erfolgreich im Kino liefen. Auch die Qualität reichte von
„genial“ bis „billig“ Auffallend war damals schon, dass der Hai jenes Tier war,
welches am häufigsten darin vorkam. Doch woher kam der Ursprung des ganzen?
1975 präsentierte uns Stephen Spielberg den Film „Der weiße
Hai“ oder auch „Jaws“ (wörtlich: Kiefer). Ohne es vorher zu ahnen, schaffte
Spielberg nicht nur einen Meilenstein der Filmgeschichte, sondern etablierte
das Subgenre Tierhorror in Hollywood. Vor 1975 konnte man als erfolgreichen
Genrebeitrag nur Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ finden. Der Rest konnte man
nicht genau in dieses Genre einzuordnen oder diese waren absolut belanglos.
Hier beantworten wir euch die Frage, warum „Der weiße Hai“
so ein Publikumsmagnet wurde, warum dieser Film den Begriff Blockbuster prägte
und wieso er bis heute ein Meilenstein der Filmgeschichte ist.
Die Story ist denkbar einfach. In einem kleinen
verschlafenen Urlaubsort Amity werden immer wieder Touristen von einem großen
weißen Hai angegriffen. Polizeichef Brody ist einer der wenigen, der die Gefahr
erkennt. Nachdem die hiesigen Fischer den vermeidlichen Hai gefangen und
getötet haben, ist für die Bevölkerung klar, dass der Mörderhai Geschichte sei.
Nur Brody zweifelt daran und seine Nachforschungen ergeben, dass der Horror
noch lange kein Ende gefunden hat. Doch niemand will ihm glauben. Auch der
Bürgermeister stellt sich stur, da die Touristen das Geld in die Stadtkassen
bringen. Nachdem der Hai erneut zuschlägt und Amity wieder in Angst und
Schrecken versetzt begibt Brody sich mit dem Fischer Quinn und dem Haiforscher
Hopper auf die Jagd nach dem Biest. Doch die drei merken schnell, dass dies
kein leichtes Unterfangen ist und Sie sich in Lebensgefahr befinden.
Heutzutage ließt man die Inhaltsangabe und stellt fest, dass
es sich um eine schon x-mal gehörte Variante einer bereits gesehenen Geschichte
handelt. Doch als Peter Benchley 1974 sein Buch „Der weiße Hai“
veröffentlichte, war diese Geschichte noch nicht so ausgelutscht wie heute. Die
Story um ein wildes Tier, welches vermeidlich getötet wird, weiter mordet und
nur einer erkennt die Gefahr ist heute ein oft eingesetztes Motiv im
Horrorfilm. Doch kein Film erzählt diese Geschichte so hervorragend wie das
Original von Spielberg.
Doch dies liegt nicht daran, dass er uns eine blutrünstige
Effektorgie präsentiert sondern eher an dem fehlen genau dieser Komponenten.
Doch fangen wir von vorne an.
Schon die Eröffnungssequenz ist grandios. Eine junge Frau
rennt nachts ins Meer um eine Runde zu schwimmen. Der Zuschauer sieht nur ihren
Kopf, eine Boje und das weite dunkle Meer. Plötzlich zerrt etwas an der Frau
und Sie beginnt panisch zu schreien. Sie wird hin und her geschleudert,
kreischt und wird immer wieder unter Wasser gezogen. Selbst die vermeidliche
Rettung an der Boje kann ihr nicht helfen. Weitere Schreie, die Einblendung auf
ihr panisches Gesicht… weiterhin wird Sie hin und her gerissen. Als der
Zuschauer denkt, es nicht mehr aushalten zu können wird Sie ein weiteres Mal
unter Wasser gezogen und man sieht nur noch das weite Meer und erlebt eine
schreckliche Stille. Vermutlich war den Machern damals nicht klar, wie
phänomenal intensiv diese Szene ist. Der Zuschauer erlebt den blanken Horror,
ohne überhaupt etwas zu sehen.
Und genau dieses „Nichts sehen“ ist das besondere an diesem
Film. Bis auf die letzten Minuten ist der Hai gar nicht zu sehen. Was dem Film
allerdings kein Abbruch tut sondern die Atmosphäre noch spannender gestaltet. Interessanterweise
war dies von Spielberg gar nicht geplant. Der ursprüngliche Plan sah vor, den
Hai relativ häufig zu zeigen und die Tötungen blutig zu inszenieren. Doch bei
den Dreharbeiten gab es immer wieder Probleme mit der „Hai-Apparatur“ genannt
„Bruce“. Nicht nur, dass „Bruce“ undenkbar anfällig für jegliche technischen
Probleme war… Spielberg fand immer, dass der Hai zu künstlich aussah. Selbst
die dritte gebaute Apparatur war für ihn einfach nicht gut genug. Daher wurde
das Drehbuch dementsprechend umgeschrieben, um den Hai so selten wie möglich zu
zeigen. Wie sich im Nachhinein herausstellen sollte, war dies der beste
Schachzug und ein Geheimnis des weltweiten Erfolges. Häufig sind nur die
Rückenflosse zu sehen oder die gelben Fässer, welche den Hai stoppen sollen.
Bis zum Finale ist, ist der Hai nur schemenhaft dargestellt, was den Zuschauer
die eigentliche Größe des Monsters nur erahnen lässt. Dieses führt zu einer
sehr dichten und spannenden Atmosphäre und von Minute zu Minute steigt der
Wunsch, das Ungetüm in ganzer Pracht zu bestaunen.
(Tatsächlich muss man auch als hartgesottener Filmfan
zugeben, dass „Bruce“ wirklich kein  Meisterstück der damaligen Technologie war.
Er wirkt absolut künstlich und bewegte sich hölzern. Warum dieselbe Apparatur
bei den weiteren Fortsetzungen eingesetzt
worden ist, ist ein Rätsel)
Allerdings wurde nicht ausschließlich die Apparatur genutzt
um den Hai darzustellen. Gerade bei den Szenen innerhalb des Haikäfigs wurden
geschickt Bilder von echten Haien eingefügt. Heutzutage fällt dieses natürlich
dem Zuschauer auf, doch dies tut dem ganzen kein Abbruch. Immer noch besser als
Haie als CGI-Monster darzustellen, wie es heute leider viel zu häufig vorkommt.
Grundsätzlich hat Steven Spielberg alles richtig
gemacht. Dies beginnt schon bei der Auswahl der Schauspieler. Das Trio Roy
Scheider, Robert Shaw und Richard Dreyfuss funktioniert einfach wunderbar. Gerade
die kindischen Machtspielchen zwischen Shaw und Dreyfuss und der
vorübergehenden Versöhnung beim gemeinsamen Trinken sind schön anzusehen. Besonders
sticht Shaw hervor, als er die wahre Geschichte über die Indianapolis zum Besten
gibt. Die Geschichte wird von ihm so unheimlich erzählt, dass dem Zuhörer ein
leichter Schrecken über den Rücken läuft. Scheider spielt den ängstlichen Brody
souverän jedoch wenig auffallend. Erst im Finale, als er dem Hai Auge in Auge
gegenübersteht, taut er auf und überzeugt auf ganzer Linie. Jedoch wird schnell
klar, welche Rolle die einzelnen Personen an Bord der „Orca“ verkörpern, doch
diese Darstellung ist schon fast zu klischeehaft. 
Wie bei einem Horror- bzw. Monsterfilm zu erwarten, ist die
Charaktertiefe nur angedeutet. Doch man muss Spielberg zugestehen, dass er
einen Film schaffen wollte welcher den Zuschauer unterhält und kein
anspruchsvolles Charakterdrama. 
Doch wie gut die Schauspieler in ihre Rollen gepasst haben
lässt sich auch an Kleinigkeiten hinter der Kamera erkennen. Der Kultsatz von
Scheider: „Wir werden ein größeres Boot brauchen“ war reine Improvisation. Er
sah die Apparatur und genau dieser Satz war das erste was ihm in den Kopf kam.
Als Gag gedacht, fand Spielberg diesen Satz so treffend, dass dieser direkt in
die fertige Version des Filmes aufgenommen wurde.
Die weiteren Schauspieler machen ihre Sache vernünftig,
fallen aber gar nicht ins Gewicht. Hauptaugenmerk wird auf das Trio sowie den
Hai gelegt.
Die Kameraführung ist für die damalige Zeit beeindruckend.
Spielberg arbeitet mit vielen schnellen Kamerafahren, was zu einer gewissen
Hektik führt. Doch in den richtigen Momenten bleibt die Kamera statisch, was
den Zuschauer nicht vom Schrecken ablenkt. Dies soll am Beispiel des zweiten
Angriffes deutlich werden. Ein Junge wird vom Hai attackiert. (Nicht genug,
dass Spielberg hier schon einen klaren Tabubruch begeht. Der Tod von Kindern
ist auch heute noch ein Tabuthema in Hollywood. Hier wird dieser noch relativ
blutig dargestellt.) Die Kamera bleibt starr auf diesen Angriff gerichtet ohne
sich abzuwenden. Dem Zuschauer bleibt keine andere Möglichkeit als dieses zu
beobachten. Dies dient zu einer perfekten Kombination zwischen Hektik und
Ruhe.  Des Weiteren  wird die geniale Kameraführung  deutlich bei den Ego-Perspektiven vom Hai selbst.
Diese ergänzen wirkungsvoll das Gesamtbild.
Doch besonders hervorheben muss man die Filmmusik von John
Williams. Die berühmt-berüchtigte Melodie ist bis heute bekannt und hat nichts
an Ihrer Intensität verloren. Die wenigen Töne bedeuten für die Hörer auch
heute noch eine nahende Bedrohung. Der ruhige Beginn bis hin zum hektischem und
lauten Schluss des „Scores“  funktionieren hier einfach wunderbar. Nicht umsonst erhielt John Williams den Oscar für die beste Filmmusik.
Allerdings führten die schockierende Darstellung des Themas
sowie die Grundstory des „Killer-Hai`s“ zu einer Massenhysterie. Der große
weiße Hai wurde als mordlüsterne und aggressive Bestie dargestellt, eine
Mordmaschine welche nur aus Zähnen besteht.  Auf einmal hatte jeder Mensch Angst ins Wasser
zu gehen und der weiße Hai hat sein Ruf als Killer nie verloren. Im Gegenteil:
Es kam zu einem sinnlosen Abschlachten der Tiere. So tragisch dieses auch ist;
was Spielberg mit seinem Film geschaffen hat ist einzigartig und nur äußerst
selten in der Filmgeschichte zu finden.

„Der weiße Hai“ ist sogar der Ursprung des Blockbusterkinos und läutete eine neue Kinoära ein. Da im Sommer 1975 alle Leute ins Kino strömten, waren die Straßen wie leergefegt. Kein Film hat dieses vorher geschafft. Belohnt wurde „Der weiße Hai“ damit, der bis dato erfolgreichste Film zu sein. Abgelöst wurde er später von „Krieg der Sterne“. 

Ganz ohne Fehler kommt „Der weiße Hai“ nicht davon. Der Hai
wirkt schon fast übernatürlich und entwickelt nach und nach menschliche Charakterzüge.
Es hat den Anschein, als handle er aus persönlichen sowie berechnenden
Rachemotiven. Des Weiteren wird ihm eine bösartige Intelligenz zugesagt, mit
welchem er gestellte Fallen erkennt. Doch über dies kann man eindeutig hinweg
sehen sofern man den Film als unterhaltenden und mitreißenden Horrorthriller
sieht. Spielberg will keinen Anspruch auf Realismus erheben. Denn genau diese
Mystifizierung des Raubfisches führt zu einem enormen Spannungsbogen.
Fazit:
 „Der weiße Hai“ ein
Meilenstein der Filmgeschichte und dazu noch einer der besten und prägendsten
Tier-Horrorfilme aller Zeiten. Mit tollen Darstellern, einem fantastischen
Score, packender Atmosphäre und hochspannender Inszenierung wird Spielbergs „Der
Weiße Hai“ zu einem der Filme, die man im Leben wirklich gesehen haben muss,
denn hier stimmt eigentlich so gut wie alles. Aus einer simplen Story und eher
passablen Effekten wurde ein Film geschaffen, welcher oft kopiert wurde, aber
Qualitativ nicht annährend erreicht worden ist.

10 von 10 Punkten
Über Marcel 584 Artikel
Film ist eine Sprache die jeder versteht. Egal ob in serieller Form oder als Animation, Film dient den Menschen als Unterhaltung und begeistert durch seine Vielfältigkeit. Sei es auf den Ebenen der Erzählung, Effekten oder Charakteren. Film ist aber nicht nur eine Sprache, sondern eine Kunstform, ganz gleich in welcher Art und Weise. Das was ich an Film und allgemein an Medien liebe, ist die Vielfältigkeit, die verschiedenen Ebenen insbesondere die Meta Ebenen und in neue Welten einzutauchen. Aber auch Kritik und Lösungsvorschläge filmisch an unserem heutigen System auszuüben und zu zeigen, wie die Welt in der Zukunft aussehen könnte. "Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein".

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