Kritik: Atomic Blonde

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Berlin kurz vor dem Mauerfall. James Bond ist wahrscheinlich krank, da das MI6 stattdessen Lorraine Broughton schickt. Die weibliche Version ist extrem schlagfertig, legt sich mit den Russen an, spielt ihre Rolle als Femme fatale aus, kriegt einen zwielichtigen Partner, der auf seine eigene Rechnung arbeitet. Klingt erst einmal ganz nett, aber nach den heftigen Trailern und der Tatsache, dass David Leitch im Regiestuhl sitzt, hätte man eher einen femininen John Wick erwartet als Bond.

Egal ob sie nun für die Mafia, CIA oder das MI6 arbeitet – eine gewisse Interpretationsfreiheit wäre schon möglich gewesen. Auch die Tatsache, dass ihr jeglicher britische Charme fehlt, vermutet man bei ihren unkonventionellen Methoden eine ehemalige CIA-Agentin, denn wie sie sich gibt, äußerlich sowie körperlich, ist kein britisches Blut vorhanden. Zumindest ist das der Eindruck im gesamten Film, was ihn schon deswegen ziemlich unglaubwürdig aussehen lässt. Darüber könnte man ja hinwegsehen, aber sowohl inszenatorisch wie auch inhaltlich treten unübersehbare Probleme beziehungsweise Mängel auf. Die Actionsequenzen sind extrem schlecht geschnitten und überhaupt nicht im Einklang mit der Choreographie. Gerade in den abgedunkelten Szenen, beispielsweise die Kampfszene im Kino, ist eine schlechte Ausleuchtung offensichtlich. Das macht die Referenz auf Tarkowskijs „Stalker“ aus, wenn auch dieses lakonische Element als Anspielung auf die Sowjetunion und der Einfluss im kulturellen Bereich sehr begrüßenswert bei der Thematik ist. Apropos Thematik Mauer: Der oft benutzte Stilwechsel zwischen dem hell erleuchteten Berlin in der Nacht und der heruntergekommenen, in verschiedenen Grautönen unterlegten Stadt im Tage, vor allem da es haargenau so aussieht wie heutzutage, kann für jemanden, der sie kennt und zumindest oft in der Hauptstadt unterwegs ist und jeden der einzelnen Drehorte wiedererkennt, schon irritierend wirken und damit das Feeling, das der Film eigentlich dem Zuschauer vermitteln will, mehr störend als angenehm und nachvollziehbar erzeugen. Allerdings kann Charlize Theron mit hellblonden Haaren im neongetränkten Licht der Nachtclubs, ganz verführerisch an der Bar sitzend und eine Zigarette rauchend, immer eine Waffe in unmittelbarer Nähe, weiche Knie erzeugen.

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Allerdings wird diese in den nächsten Minuten ad absurdum geführt, sobald die unbeholfene Sofia Boutella das Bild betritt und im ganzen Film mehr überflüssig wirkt und es einem schwerfällt, sie als französische Agentin ernst zu nehmen. Die beste Variante ist wahrscheinlich, still und leise in sich zu lachen und sie in ihrer wenigen Screentime auszublenden.

Immerhin etwas muss man dem Film zugutehalten, da er trotz seiner mittelmäßigen Qualität extrem polarisiert und viel Gesprächsstoff bietet. Ein guter Punkt wäre da auch die musikalische 80er-Jahre-Untermalung, die beinahe jede Szene ausschmückt, so dass ein Song an den anderen gereiht wird, und auch wenn man großer Fan dieser Musik ist, geht sie einem spätestens nach der englischen Variante von Falcos „Der Kommissar“ dezent auf die Nerven. Glücklicherweise kommt James McAvoy als saufender, dennoch intelligenter Agent daher und versucht dem doch etwas trostlosen Film den gewissen Kick zu geben, was er nicht unbedingt nötig hat, da er schauspielerisch schon auf der Höhe der Zeit ist. Nichtsdestotrotz weiß spätestens nach diesem Film jeder, wie „toll“ Berlin ist.

Über Marcel 584 Artikel
Film ist eine Sprache die jeder versteht. Egal ob in serieller Form oder als Animation, Film dient den Menschen als Unterhaltung und begeistert durch seine Vielfältigkeit. Sei es auf den Ebenen der Erzählung, Effekten oder Charakteren. Film ist aber nicht nur eine Sprache, sondern eine Kunstform, ganz gleich in welcher Art und Weise. Das was ich an Film und allgemein an Medien liebe, ist die Vielfältigkeit, die verschiedenen Ebenen insbesondere die Meta Ebenen und in neue Welten einzutauchen. Aber auch Kritik und Lösungsvorschläge filmisch an unserem heutigen System auszuüben und zu zeigen, wie die Welt in der Zukunft aussehen könnte. "Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein".

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