Kurz notiert: Cold War – Der Breitengrad der Liebe, El autor, Polizeiruf 110: Tatorte

Autoren von Liebenden

© Neue Visionen Filmverleih GmbH

COLD WAR – DER BREITENGRAD DER LIEBE

(„Zimna wojna“, PL, F, GB 2018/ Regie: Paweł Pawlikowski)

Einen Liebesfilm ohne Liebe zu drehen, geht folgerichtig aus dem Werk Paweł Pawlikowskis hervor. Sein Liebespaar (Joanna Kulig, Tomasz Kot) bewegt, vertröstet und beschläft sich über 15 Jahre hinweg, im Osten wie im Westen. Die Jahre verstreichen, museal archiviert in einer stummen Zeitangabe, die Musik streift das Gefühlsleben beider Liebender: Wiktor (Kot) ist Komponist, der ein Auge auf die sinnliche Sängerin Zula (Kulig) geworfen hat. Pawlikowskis Film zerberstet – ähnlich wie „Ida“ fünf Jahre zuvor – vor ausreichender mathematischer Berechnung, signiert mit einer bedrohlichen retrospektiven Atmosphäre stalinistischer Felsigkeit, die den Hang zum Gestellten, ja Gestelzten hat. Die Liebe wird zweifach erdrückt – der Filmemacher interessiert sich für die Bedingungen der Liebe inmitten eines künstlerischen Milieus politisierter Lebensbedingungen. Den Übergang von visionärer Eigenständigkeit zu verführerischem Anpassungszwang trifft Pawlikowski dezent, wenn die Musik den rauen Kriegsfolgen zu Beginn jungfräulichen Hoffnungscharakter verleiht, die Ode an das Glück ein paar Jahre später jedoch zur instrumentalisierten Ode an Stalin (vor einem monumentalen Porträt) mutiert. In „Cold War – Der Breitengrad der Liebe“ gerinnt das Nichtdarstellende und Auslöschende gelegentlich zum K(r)ampf der Ausdrucksmittel; Pawlikowski vergisst, wer diese Menschen sind, von denen er erzählt. Menschen, die schließlich der Wind – kaum lyrischer und symbolbeladener hätte das sein können – aus dem Bild verweht.     

© Netflix

EL AUTOR

(E, MEX 2017/Regie: Manuel Martín Cuenca)

Er habe kein Talent. Álvaro (Javier Gutiérrez) schreibt und schreibt. Und schreibt und schreibt. Viele Jahre ein Kurs, wie man schreibt. Viele Jahre der Versuch, Literatur zu schreiben, er nennt es „Wahrheit“. Bis Álvaro – er machte Schluss mit seiner Frau (María León), einer Autorin von Groschenbestsellern, nachdem sie fremdgegangen ist – in eine neue Wohnung zieht und an einen neuen Arbeitsplatz wechselt: funktional, weiß, gereinigt, der Apfel fehlt. Bald ist ihm die nachbarschaftliche Kooperation Fluch und Segen zugleich. Um Literatur (aus dem Leben) zu schaffen, verschafft er sich die Informationen – das Geschnatter, das Getuschel – während des Schachspielens, sinisteren Belauschens, einiger konspirativer Affären und einem sachdienlichen Rollentausch. Was ist Literatur? Wann schreibt man Literatur? Manuel Martín Cuenca hat eine Antwort verfilmt, so aphoristisch wie untröstlich: Es reicht nicht, sich nackt (wie Hemingway) an den Computer zu setzen und drauflos zu tippen und zu hoffen, das Getippte entspräche Literatur. Literatur ist kein Workshop, sondern ein Lebensratgeber und Weltsinn in einem, ein sozialer intrinsischer Wert. Auch wenn Álvaros Geschick offenkundig ist, die Ereignisse zu verschriftlichen, die er zu lenken vermag, produziert er eine biedere, extrinsische Ereigniskette, der es entschieden an einem erlebenden Innenraum mangelt. Álvaro hat Talent, aber er weiß nicht, was Literatur ausmacht.    

© ARD

POLIZEIRUF 110: TATORTE

(D 2018/Regie: Christian Petzold)

Wenige beleben Geister beiläufiger als Christian Petzold. Seine Geister schweben nicht, sondern schwelen und fahren stundenlang durch das, was erst noch Moderne werden muss oder gar noch Vormoderne ist. So auch Matthias Brandt und Maryam Zaree. Über das Land, über die Autofahrten, in denen sich Brandt und Zaree (wie in einem schlechten Krimi) dialogisch befragen, legt sich ein trübes Samuel-Barber-Requiem, es sind Hanns von Meuffels‘ allerletzte Fahrten. Früher war er ein eifriger, hippeliger Ermittler, eifrig und hippelig wie seine ihm zugeteilte Assistentin Nadja (Zaree). Nachdem die Trennungskrise kam und mit ihr die eingepackten Umzugskartons, folgt die Sinnkrise. Der „Fall“ um ein (anfänglich) familiäres Beziehungsdrama rumort doppeldeutig in den fahlen Flächen dieser Figur, in denen Petzold Miniaturen zerstreuter Erschöpfung inszeniert: Der Ermittler kämpft gegen ein Dampfbügeleisen und eine SIM-Karte, die unter Anstrengung in sein neugekauftes Smartphone gezwungen werden muss, wohingegen der Kaffee langsamer köchelt als sonst. Platz hat der alte Hanns von Meuffels lediglich in einer expressiven Performance, sich in den Tathergang einzufühlen. Die Tatorte sind mindestens ausdruckslos, höchstens gestellt, die Liebe unter Schmerzen an die Haut getackert. Dennoch lebt „Polizeiruf 110: Tatorte“ von seiner verschwiegenen Schönheit – den anderen, das verletzte Tier, zu tragen, bedarf einer Kraft, vergleichbar mit einem Schuss.    

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