Kurz notiert: Die Berufung, Keep an Eye Out

Lebensumwälzungen

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DIE BERUFUNG

(„On the Basis of Sex“, USA 2018/Regie: Mimi Leder)

Wer sich dem den Oberflächenrand überwindenden Diskurs um geschlechtliche Gleichberechtigung, juristische Gleichbehandlung und Gender nähern möchte, wird in Felicity Jones ein Gesicht finden. Zunächst leicht überfordert, später sichtlich entflammter spielt Jones die Frauenrechtlerin Ruther Bader Ginsburg. Mimi Leder sieht ihr genauestens zu, wie sie – ringend um akademische Anerkennung – von Männern Schulter an Schulter zerrieben wird. Ein archaisches Symbolbild, das seine Gegenentsprechung finden wird. „Die Berufung“ verklebt ein amerikanisch-aktivistisches Hochgefühl zwischen Frau und Freiheit, dem Pathos revolutionären Umtriebs ergibt sich dieser Film wie selbstverständlich. Das konservative Biopic schlechthin vermag Leder aber nicht aufzubrechen – einige Entwicklungen geraten in ihren weihevollen Wendungen („Gender!“) hinreichend künstlich wie schlicht überzuckert. Einen großen Makel trägt „Die Berufung“ allerdings nicht davon: Für zwei Stunden erneuert sich das Kino als zupackender Protest, als Systemanalyse, die mit den weniger Privilegierten mitleidet, Hals über Kopf für sie argumentiert sowie sich durchzusetzen imstande ist. Und, klammheimlich, verändern sich die Rollen, die Rolle der Frau, die Rolle des Mannes – Arnie Hammer steht am Herd, ist beiläufig ein Hausmann, der seiner Frau das Haupteinkommen anvertraut. Mimi Leder denkt weibliche wie männliche Stereotypisierungen zusammen. Es führt kein Weg daran vorbei, sich in der (geschlechtsunabhängigen) Anerkennung des anderen als Subjekt seiner Selbstwerdung begreifen zu lernen.  

© MUBI

KEEP AN EYE OUT

(„Au poste!“, F 2018/Regie: Quentin Dupieux)

Wieder einmal die Theaterbühne, auf der sich das Sein des Lebens abspielt. Diesmal erwischt es den unscheinbaren Louis (Grégoire Ludig), der Opfer des doppelten Bodens wird, in dem sich Quentin Dupieux unlängst häuslich eingerichtet hat. Louis wird verhört, weil er eine Leiche fand (samt Bügeleisen und Blutlache), ein abgelenkter, genervter, Rauch aus seinem Bauch ausstoßender Kommissar (Mann beißt Hund: Benoît Poelvoorde) befragt ihn. Louis liefert eine Chronik sterbenslangweiliger Unauffälligkeit – sieben Luftschnappgänge später vegetiert eine weitere Leiche im Schrank des Verhörzimmers, die an einem Geodreieck starb, aber nicht entdeckt werden soll („Cocktail für eine Leiche“?). Buchstäblich sanft, schüchtern und filmtheoretisch eher unauffällig spielt Dupieux sein Spiel mit seinen Regeln – „Keep an Eye Out“ verheiligt die Ausdrucksleere in Geschichten der Entrüstung, die nie eintritt. Gegen Hunger hilft (vorerst) ein Mars-Riegel, eine Insel, ein Hundehalsband, gegen Unaufgeregtheit, Schlaffheit, Monotonie eine Sendung über Pferde. Aber Achtung: Der Schein trügt, in der Komödie reißt das Narbengewebe einer Dramödie auf, im Erzählten steuerbar zu sein. Denn gefährlich ist nichts weniger als jene Grundannahme, dass die Bilder des Jetzt und Zukünftigen womöglich inszeniert wurden. Das Leben ist eine Erzählung, aber wie jede Erzählung enthält sie Wahres, Falsches und Geheimnisvolles. Hilfe verschafft ein Verhör mit sich selbst.  

Über DennisG 11 Artikel
Hallo, ich bin der Dennis und ich mag Kritiken. Eine Kritik sollte meiner Meinung nach in erste Linie ehrlich sein, um sich von der Allgemeinheit abzuheben, damit nicht nur der einfache Massengeschmack zufrieden gestellt wird. Durch den technischen Fortschritt sammelt sich heutzutage eine Masse an Filmen an und der große Anklang richtet sich hauptsichtlich auf Filme mit der teuersten Werbekampagne. Als Hobbykritiker ist es mir darum umso wichtiger mehr als den blinden Werbewahn zu zeigen. Meine Beiträge werden sowohl schriftlich, als auch filmisch präsentiert. Bei Geek-Pool bin ich hauptsächlich als Videoredakteur tätig. Mein primärer Fokus liegt also auf Specials, visuelle Umsetzung von Ideen und Interviews. Neben meiner Filmleidenschaft habe ich auch ein Faible für Gamekultur und es ist mein größtes Interesse dieses junge Medium gesellschaftlich zu fördern.

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