Publisher 3D Realms, bekannt für den Meilenstein Duke Nukem 3D (1996), transportiert mit „Ion Fury“ einen klassischen Shooter ins 21. Jahrhundert. Wie altmodisches Spieldesign in die heutige Zeit passt, verrät uns die getestete Switch-Version.
Im Gegensatz zu modernen Shootern fokussiert sich Ion Fury hauptsächlich auf den damaligen Ballerspaß – aufgesetztes Grinding oder Upgrades kommen nicht zum Einsatz. Vielmehr steht dem Spieler ein kreatives Waffenarsenal mit vielseitigen Funktionen zur Verfügung. Mit dem Revolver visiert ihr mehrere Gegner an um sie simultan ausschalten, die Schrotflinte lässt sich als Granatwerfer verwenden und eine elektrisch geladene Armbrust verschießt mehrere Bolzen hintereinander. Im Gegensatz zu älteren Schootern, schickt ihr in Ion Fury die meisten Gegner mit Kopfschüssen sofort ins Jenseits. Passend zum Cyberpunk-Setting ballert ihr euch durch Droidenhorden, die nach dem Feuergefecht zerfetzte Gliedmaßen hinterlassen – ein zerstörerisches Ausmaß an Gewalt, verursacht durch fortschrittliche Technologie. Gleiches gilt für die Spielfigur, deren im HUD eingeblendeter Kopf mit jedem eingesteckten Treffer blutiger erscheint. Ein Feature, das schon im ersten Doom vorkam, wird in Ion Fury erweitert, indem eine tödliche Schrotladung den Schädel zermatscht und eine Explosion den Kopf vom Hals trennt.
Neben der überzeugenden Gewaltdarstellung sticht vor allem das clever strukturierte Leveldesgin hervor. Viele optionale Wegrouten führen euch zu bestimmten Goodies, Waffen und Halthpacks, die im Kampf den entscheidenden Unterschied machen. Nur wer die Umgebung bis ins kleinste Detail absucht, wird entsprechend belohnt. Einige kryptisch versteckte Geheimnisse lassen sich nur schwer finden(geschweige denn erreichen), halten aber witzige Pop-kulturelle Referenzen bereit.
Hauptsächlich sucht ihr nach Schlüsselkarten oder aktiviert Generatoren um Zugang zum nächsten Areal zu erhalten – zwei zu Beginn motivierende Aufgaben, die sich nach einer gewissen Spielzeit abnutzen. Ein wenig mehr Abwechslung hätte Ion Fury nicht geschadet, denn der Spielfluss ändert sich nur geringfügig. Bis auf wenige Zwischenbosse und Rätsel bekämpft ihr meistens die gleiche Sorte an Gegnerhorden. Zwar bewahrt Ion Fury dadurch seinen herrlichen Rhetro-Charm, da Spiele aus den 90ern genauso aufgebaut waren, doch um über die gesamte Spiellänge zu überzeugen, hätten ein paar vielseitige Skriptevents dem Shooter gutgetan. Bis zum Finale, das ebenso enttäuscht, fehlen jedoch gewisse Wow-Momente. Dennoch überzeugt die simple Shooter-Mechanik, denn sie lässt Nostalgie-Gefühle aufkommen. Ion Fury spielt sich wie eine gelungene Duke Nukem 3D-Fortsetzung, die auch nach 24-Jähriger Wartezeit unterhält.
Als geistiger Duke Nukem-Nachfolger, spielt man allerdings nicht länger den Duke, der mit seinen saucoolen Sprüchen in jeder Szene fehlt. Stattdessen schlüpft ihr in die Rolle von Polizistin Shelly Harrison, die verzweifelt versucht den Wortwitz einer ikonischen Videospielfigur nachzueifern. Das Ergebnis: Nach Abschüssen hört ihr ermüdende One-Liner wie: „I like the Way you die„ oder “ Say my name „. Der Spruch „How do you like your rips?„ ist das Unterhaltsamste, was aus dem Mund der Protagonistin hervorgeht. Würde sie als Action-Heldin zumindest mit ihrer Persönlichkeit eigene Akzente setzten, könnte man den gescheiterten Humor noch verzeihen, doch da sie eine eins zu eins Kopie eines muskulös markanten Kerls repräsentiert, wirkt sie als Frau regelrecht deplatziert. Ein Mann, der toxische Männlichkeit ausstrahlt, scheint gewiss nicht mehr zeitgemäß zu sein, außer eine Frau übernimmt ein derartiges Verhalten. Die aufgesetzte Fraupower aus Hollywood-Filmen überträgt sich nun auf das Medium Videospiel. Dabei konnten sich eine agile Samus Aran oder Lara Croft in den 90ern von ihren männlichen Actionhelden abheben und spielerisch eigene Akzente setzen. In einem Shooter wie Iron Fury, wo man übergroße Waffen abfeuert, passt der zierliche Körper einer Frau jedoch nicht ins Gesamtbild.
Da Spieler das Geschehen jedoch aus der Ego-Perspektive betrachten, fokussieren sie sich vorwiegend auf den gutaussehenden Look, der klassische 2D-Elemente mit scharfer HD-Optik kunstvoll verbindet. Musikalisch begleiten einem futuristische Techno-Beats, die weder für Stimmung sorgen, noch nerv tötend durchs Ohr sausen, aber zumindest in Bosskämpfen das Tempo anziehen. Das Spielgeschehen verläuft dennoch langsam ab, denn wenn größere Gegner präsent sind, leidet die Switch-Version unter starken Framerate-Einbrüchen. Auch die Steuerung reagiert alles andere als flüssig. Sobald ihr Gegner mit dem Analogstick anvisiert, rutscht das Fadenkreuz an den Widersachern vorbei. Mit den Gyro-Sensoren des Switch-Controllers zielt es sich etwas genauer, präzise Kopfschüsse sind dennoch schwierig auszuführen. Insgesamt erinnern Bildrate und Steuerung an einen früheren N64-Shooter wie etwa Duke Nukem 64. Falls 3D Realms mit der Switch-Umsetzung beabsichtigt Spielern an eine Ära zu erinnern, wo PC-Shooter den Konsolenports überlegen waren, hat das Studio hervorragende Arbeit geleistet. Wenn ihr euch den Nostalgie-Trip von Ion Fury gönnen wollt, dann lieber mit Maus und Tastatur.
Fazit: Ein aufgepeppter Retro-Shooter, der wunderbar in die Neuzeit passt. Ion Fury verbindet fetzige Feuergefechte mit kniffligen Erkundungsreizen in verschachtelten Levels. Auf Dauer mangelt es zwar an Abwechslung, doch Fans klassischer Shooter können zugreifen. Die technisch schlecht umgesetzte Switch-Fassung ist jedoch weniger empfehlenswert.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar