
Christopher Nolan, ein Mann, der selbst das einfachste in der Welt verkompliziert. Das ist sowohl verstörend als auch faszinierend, weswegen seine eigene Handschrift so unnachahmlich ist. Es ist ein sehr wissenschaftliches, analytisches, kaltes Kino. Nolans Kino erinnert doch sehr an die Gedankengänge eines Autisten.
Autisten, wie der Autor dieser Kritik einer ist, haben ein anderes Weltbild, sie haben den Filter nicht, was Emotionen, Sinneseindrücke betrifft, sie trifft die normale Welt wie eine Reizüberflutung, der man nur Herr werden kann, mit dem richtigen Training.
Und genauso fühlt sich Nolans Biopic „Oppenheimer“ an.
Statt linear eine Geschichte auf herkömmlichen Wege zu erzählen, teilt Nolan seinen Film in gleich 4 Handlungsebenen, dem Gefühlschaos im Kopf von Oppenheimer, dargestellt durch Atome und deren Reaktionen aufeinander, dann dem Prozess um Oppenheimers Sicherheitsfreigabe, der den Rahmen bildet, dann aber auch Oppenheimers Privatleben, seine Errungenschaften, sein Dasein, fragmentarisch in den Film platziert, wie Tagebucheinträge und zu guter Letzt noch der berühmte Lewis Strauss Prozess.

Nolans Erzählparadoxon
Wer bei all diesen Handlungssträngen, die teilweise in der Gegenwart, der Vergangenheit, der Zukunft hin und her springt, noch den Überblickt behält, ist entweder ein Genie oder sieht die Welt mit anderen Augen, mit den Augen von Christopher Nolan.
Jeder normale Zuschauer, der eine stringente Narrative braucht, einen roten Faden, an dem er sich durch die Handlung hangelt, wird hierbei allein gelassen. Nolan macht den Film hauptsächlich für Leute, die schon Vorwissen haben, die gespannt bei physikalischen Grundsatzdiskussionen sitzen und mehr wissen wollen, wie hängt die Formel mit der anderen zusammen, sprich für Studenten und Intellektuelle.
Das interessante ist, dass wenn einen die Thematik wirklich interessiert, man hier zumindest in den Dialogszenen voll und ganz auf seine Kosten kommt. Gerade die Szenen zwischen Oppenheimer und Bohr oder Oppenheimer und Einstein zählen zu den Highlights des Films.
Leider hat der Film aber so viel zu verhandeln, wie auch Oppenheimers Liebesleben, was für die, die daran Interesse haben viel zu kurz kommt und die andere Seite sich fragt, ob es das überhaupt braucht, sodass der Film sich verrennt.
Ähnlich wie der Autist, der alle Sinneseindrücke nur schwer verarbeiten kann, wird der Zuschauer auch hier nur Fragmente von Oppenheimers Schaffen wirklich greifen können.
Es bedarf gerade bei dieser Art von Film für den Otto-Normal Verbraucher, mehrere Sichtungen und selbst nach denen wird man nicht vollends verstehen, was Nolan alles damit sagen wollte.
Der Film ist wie ein Paradoxon, welches Nolan gerne in seinen Filmen zitiert, da aber auch irgendwie nicht.
Dabei gibt es sich sehr große Mühe dem Leben von Oppenheimer gerecht zu werden, gerade große geschichtliche Momente wie eben der Trinity Test werden hier epochal auf die Leinwand gebannt und hallen dir noch lange nach dem Kinobesuch nach.

Genie und/ oder Wahnsinn?
Aber um es für das Publikum greifbar, real zu machen, fehlen echte Gefühle. Nolan verschließt sich dessen komplett. Man sieht nicht die Auswirkungen von Oppenheimers Taten, nicht die Gesichter der Opfer, das Leid, was es verursacht hat, nur graue Wände.
Der eigentliche Kampf findet im Prozess statt, der zwar sehr lange und ausführlich beleuchtet wird, leider als Rahmen in keinster Weise funktioniert, weil das Leben von Oppenheimer an sich, seine Begegnungen, viel spannender als dieser, recht unbedeutende Punkt im Schaffen eines so bedeutenden Mannes.
Seine Liebe zur Physik, warum er diese oder jene Entscheidung trifft, das ist das, was den Film besonders machen sollte, hätte Nolan den Fokus darauf gesetzt. Aber Nolan will alles und am liebsten zur gleichen Zeit, alleine aus dieser Geschichte hätte man mindestens drei separate, kürzere Filme machen können, so wirkt er doch an vielen Stellen zu kurz, an einigen zu lang. Der Strauss Prozess ist für Oppenheimers Leben nicht wirklich relevant, zumindest wenn man nach dem Film geht, er wirkt wie seine eigene Geschichte.
Und so könnte man noch Stunden über diesen Film schwadronieren, aber am Ende bleibt anzuerkennen, dass Nolan versucht hat, dem Genre des Biopic einen anderen Anstrich zu verpassen, aber genau wie Oppenheimer selbst, es nicht schafft, das Wesentliche zu selektieren.
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